Die Kinder- und Jugendorthopädie stellt eine eigene und sehr umfangreiche Disziplin des Fachgebietes Orthopädie dar und ist eine ihrer ursprünglichsten Gebiete.
Die Kinder- und Jugendorthopädie stellt eine eigene und sehr umfangreiche Disziplin des Fachgebietes Orthopädie dar und ist eine ihrer ursprünglichsten Gebiete.
Der Name Orthopädie stammt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „Erziehung zum Aufrechten“ und befasst sich mit allen Fehlbildungen und Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates. Daher ist das Symbol, also das Logo des Fachgebietes Orthopädie, der an ein krummes Bäumchen gebundene gerade Pfahl. Der Pariser Arzt Nicolas Andry entwickelte dieses Symbol bereits 1741. Andry verglich daher auch den Orthopäden mit einem Gärtner, der lenkend in das Wachstum eingreift. Neben angeborenen bzw. erworbenen selteneren Systemerkrankungen, die im Kinder- und Jugendalter am Bewegungsapparat auftreten können, macht es Sinn, hier mehr auf die häufigen organspezifischen Erkrankungen und deren Behandlungen einzugehen.
Schultergelenk
Sprengelsche Deformität (angeborener Schulterblatthochstand)
Der Name beschreibt das Symptom: ein einseitiger Schulterblatthochstand, wahrscheinlich aufgrund einer erblichen Veranlagung. Zur Behandlung dieser seltenen Erkrankung stehen, wenn notwendig, nur operative Verfahren zur Verfügung. Diese beinhalten eine Teilverschiebung des Schulterblattes mit Refixierung an der hinteren Brustwand.
Geburtstraumatische Armplexuslähmungen
Früher häufiger, heute deutlich seltener, kann es durch den Geburtsvorgang zu einer Lähmung des Schulter-Arm-Nervengeflechtes (Armplexus) kommen. Am häufigsten (80 %) ist dabei der obere Armplexusanteil betroffen, und es entsteht eine Erbsche Lähmung mit Lähmungen der Schultergürtelmuskulatur. Ein aktives Anheben der Schulter ist nicht möglich. Man lagert dann den Arm für mehrere Monate in einer Schiene in 90 Grad Schulterabspeizung und -außendrehung. Die Prognose der Nervenerholung ist recht gut. Ist hingegen der untere Teil des Armplexus betroffen entsteht die Klumpeschke Lähmung. Hier sind mehr die Muskeln für die Hand- und Fingerfunktionen betroffen und die spontane Ausheilungsquote ist deutlich geringer. Dennoch muss man versuchen, die Hand und die Finger für 1 bis 2 Jahre in einer Funktionsschiene zu lagern, um einer Kontraktur vorzubeugen.
Ellenbogengelenk und Unterarm
Chassaignac’sche Pseudolähmung bei Kleinkindern
Siehe hierzu unter dem Kapitel „Ellenbogen / Instabilität und Luxation“
Morbus Panner
Der Morbus Panner ist eine aseptische Knochennekrose (siehe Kinderorthopädie / Knie) an der Außenseite des Capitulum humeri, dem ellenbogennahen Ende des Oberarmknochens und tritt überwiegend bei Jungen im Alter unter 10 Jahren auf.
Die Diagnose wird durch ein Röntgenbild und / oder eine MRT-Untersuchung gestellt. Therapeutisch kann man in den Frühstadien abwarten. Wenn sich aber das Knorpel-Knochenstück zunehmend löst oder gar als freier Gelenkkörper im Gelenk bewegt, muss eine operative Entfernung des Gelenkkörpers und eine Deckung des Knorpelknochendefektes, beispielsweise in der AMIC-Technik (siehe Knie/ Knorpelverschleiß) erfolgen.
Knöcherne Verletzungen
- Die Ellenbogenfraktur ist eine der häufigsten Knochenbrüche im Kindesalter. Besonders häufig ist die „supracondyläre Humerusfraktur“, also ein gelenknaher Knochenbruch des unteren Oberarmknochens. Das Unfallereignis ist ein Sturz auf den ausgestreckten Arm, z.B. beim Fahrradsturz.
Die Fraktur wird in verschiedene Schwergrade nach Anzahl der Bruchstücke, Verlagerung und /oder Gelenkbeteiligung eingeteilt. Davon abhängig ist die Entscheidung ob der Bruch nicht operativ oder operativ, minimal-invasiv (z.B. mit Drähten) oder offen (mit Platten und Schrauben) versorgt wird. Um die Wachstumsfugen mit einem daraus resultierendem Fehlwachstums nicht zu verletzen, erfolgt die Stabilisierung der Bruchstücke oftmals mit sog. Kirschnerdrähten. Diese können dann nach Abheilung der Fraktur problemlos und minimal-invasiv wieder entfernt werden. - Der Grünholzbruch ist eine Sonderform der kindlichen Fraktur. So wie man einen noch grünen Ast im Frühjahr nicht brechen kann, da die elastische und saftige Rinde das verhindert, verhindert das die noch sehr elastische und gut durchblutete Knochenhaut (Periost) des kindlichen Knochens ebenso. Daher der Begriff „Grünholzbruch“. Man sieht im Röntgenbild „lediglich“ eine Aufwulstung des Knochens mit umliegender Knochenhaut. Hier reicht in der Regel eine kurzfristige Ruhigstellung und der Bruch heilt folgenlos aus.
Generell gilt für die kindlichen Knochenbrüche, dass die Natur und das restliche Wachstum ein erhebliches spontanes Korrekturpotential bzgl. Ausrichtung, Knochenheilung und Überbrückung von Defekten, etc. besitzen. Eine Ausnahme ist die Beinlänge, die am gebrochenen Knochen „überschießen“ kann (siehe hierzu Kapitel Kinderorthopädie/ Knie / Beinlängendifferenz).
Daher sollte man bei der konservativen und / oder operativen Versorgung von kindlichen Frakturen immer sehr schonend und so minimal-invasiv wie möglich vorgehen und keine optimale „Röntgenkosmetik“ anstreben. Die Natur wird es in den meisten Fällen schon richten. Und das um so mehr, je jünger der Patient ist!
Hand- und Handgelenk
Diverse Fehlbildungen
Es übersteigt die Aufgabe dieser Homepage die mannigfaltigen kindlichen Fehlbildungen an den Gliedmaßen der Hand aufzuzählen und zu beschreiben.
Absolut gesehen kommen solche Dysmelien oder Amelien zwar selten vor, aber in Ihrer Vielfältigkeit können sie hier nur grob strukturiert werden nach:
- Plus- und Minusvarianten, also zu viel oder zu wenig Gliedmaßen
- Metrische Varianten, also zu lange oder zu kurze Gliedmaßen
- Hypo-und aplastische Gliedmaßen, also unterentwickelte oder nicht vorhandene Gliedmaßen
- syndaktile Gliedmaßen, also zusammen gewachsene Gliedmaßen
- und noch weitere Formen mehr
Sobald diese Fehlbildungen erhebliche funktionelle oder kosmetische Störungen verursachen erfolgt von uns die Vorstellung in einer hand- oder kinderchirurgischen Abteilung zur operativen Korrektur.
Sonderform
In den 60-er Jahren erlangten die Thalidomid- (Contergan) geschädigten Kinder eine traurige Berühmtheit. Bei schwangeren Frauen, die das Schlafmittel Contergan (chemisch Thalidomid), eingenommen hatten, entwickelten die Embryonen vielfältige Fehlbildungen in Abhängig vom embryonalen Alter des Erstkontaktes mit der Substanz. Die Kinder wurden mit den verschiedensten Dysmelien (Fehlbildungen) oder Amelien (Nichtbildungen) von Gliedmaßen geboren. Es war einer der ersten und größten Pharmaskandale Deutschlands mit ca. 5.000 geschädigten Kindern in Deutschland und geschätzten 10.000 Kindern weltweit
Wirbelsäule und knöcherner Brustkorb
Haltungsschäden
Viele Mütter kommen mit ihren Kindern zum Orthopäden/in, weil ihnen bei den Kindern eine schlechte Haltung auffällt. Eine klinische Untersuchung ohne Röntgenbild zeigt uns in aller Regel, dass keine Haltungsschwäche vorliegt und die Haltung altersentsprechend normal ist. Der „Haltungs-Leistungs-Test“ nach Matthiass zeigt uns aber auch schnell ob eine Haltungsschwäche oder gar ein Haltungsverfall vorliegen. Die Haltungsschwäche und natürlich der Haltungsverfall bedürfen einer konsequenten physiotherapeutischen Behandlung mit muskelkräftigenden Maßnahmen und natürlich regelmäßigen sportlichen Aktivitäten. Gerade das letztere ist bei Jugendlichen heute nicht mehr selbstverständlich, jedoch enorm wichtig.
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- Flach- und Rundrücken, Hohlrundrücken und Hohlkreuz sind Sonderformen ergeben sich bereits aus der Beschreibung: ein zu flacher oder zu runder Rücken im Brustwirbelbereich bzw. aus der Kombination von zu viel Rundung im Brustwirbel nach außen und im Lendenwirbel nach innen (Hohlkreuz) bzw. auch der Kombination von beiden (Hohl-Rund-Rücken). Wichtig für die Diagnose und für die weitere Entwicklung ist, dass diese „Normvarianten“ einer heranwachsenden Wirbelsäule noch redressierbar, das heißt wieder aufrichtbar und nicht strukturell fixiert sind. Regelmäßiger Sport, bei Bedarf auch eine Physiotherapie beheben das optische Bild nachhaltig.
Strukturelle Wirbelsäulenverkrümmungen
Unter strukturellen Wirbelsäulenverkrümmungen oder Thoraxveränderungen versteht man solche, die fixiert sind und/oder knöcherne Deformitäten aufweisen.
- Die Skoliose ist die dauernd fixierte seitliche Verkrümmung der Wirbelsäule, die immer mit einer Drehung (Torsion) der Wirbelkörper einhergeht und bevorzugt junge Mädchen betrifft. Sie darf nicht verwechselt werden mit der „skoliotischen Fehlhaltung“, die ausgleichbar und muskulär zu korrigieren ist. Durch die Verdrehung kommt es dabei im Brustwirbelbereich zum typischen „Rippenbuckel“ bzw. im Lendenwirbelbereich zum „Lendenwulst“. Die weitaus meisten Skoliosen (ca. 90 %) nennen wir „idiopathische Skoliosen“. Das sind Skoliosen, deren Ursache nicht eindeutig bekannt ist. Im Gegensatz dazu gibt es ursächliche Skoliosen bei Beinlängendifferenzen, neuro-muskulären Erkrankungen, knöcherne Fehlbildungen der Wirbelsäule und andere mehr. Die Diagnose erfolgt durch eine orthopädische Untersuchung und ein Röntgenbild der Wirbelsäule im Ganzen und im Stehen. Dann kann der Skoliosegrad nach „Cobb“ exakt vermessen werden. Die Behandlung der Skoliose richtet sich nach der Gradzahl und dem Alter des Patienten. Einwirken kann man jedoch nur noch auf das wachsende Skelett (siehe oben zum Logo der Orthopädie). Hier gilt folgendes grobe Schema:
- Skoliosegrad bis 20 Grad Cobb: konservative Behandlung durch regelmäßige Physiotherapie und sportliche Aktivitäten.
- Skoliosegrad bis 40 Grad Cobb: neben der Physiotherapie tragen einer stützenden und im besten Fall korrigierenden Rumpforthese (Skoliosekorsett) für 22 Stunden am Tag. Das Korsett darf natürlich zum Sport abgelegt werden.
- Skoliosegrad ab 40 Grad Cobb: hier beginnt der Bereich, ab dem eine operative Korrektur notwendig wird. Das Prinzip der operativen Skoliosekorrektur ist die Aufrichtung der Verkrümmung bei gleichzeitiger Derotation (Rückdrehung) der Torsion des Wirbelkörpers. Die operativen Skoliosekorrekturen erfolgen in einem darauf spezialisierten Zentrum und sind dann sehr erfolgreich.
- Sonderform
- Die Säuglingsskoliose, eine sog. Schräglagedefomität, ist eine C-förmige, die ganze Wirbelsäule betreffende muskuläre und großbogige Schiefstellung der Wirbelsäule. In 95 % der Fälle heilt diese spontan mit oder auch ohne physiotherapeutische Behandlung aus. Sie bedarf aber dennoch der regelmäßigen orthopädischen Kontrolle, da es auch hier progrediente Typen gibt, die sich nicht spontan zurückbilden.
- Die Hyperkyphose ist eine strukturell fixierte Haltungsanomalie mit deutlich verstärkter, nach hinten konvex verkrümmter Wirbelsäule, besonders im Brustwirbelbereich. Dies ist nicht zu verwechseln mit dem aktiv ausgleichbaren Rundrücken“ (siehe oben). Die Ursachen sind vielfältig. Sie kann idiopathisch (siehe unter Skoliose) bedingt sein oder aber konkrete Ursachen haben: knöchern, neuro-muskulär, hormonell-stoffwechselbedingt (Rachitis) und andere mehr. Auch hier ist ein Röntgenbild für die Diagnose unabdingbar, da die Behandlung unter anderem von der gemessenen Gradzahl abhängig ist:
- Kyphosegrad bis 45 Grad: normaler Befund, allenfalls Muskeltraining und Sport
- Kyphosegrad 45 bis 65 Grad: Physiotherapie, Aufrichtungsorthese (Korsettbehandlung)
- Kyphosegrad über 65 Grad: ggf. operative Aufrichtungsspondylodese (kommt beim Jugendlichen selten vor. Wenn dann schon eher beim erwachsenen Patienten mit einem Morbus Bechterew.
- Die Trichter- und Kielbrust (Hühnerbrust) sind knöcherne Deformitäten des knöchernen Brustkorbes mit muldenförmiger Einziehung (Trichter) oder kielförmiger Erhebung (wie bei einem Schiffskiel) der Rippen zum Brustbein hin. Solange diese Veränderungen keine organischen Nachteile am Herzen oder an der Lunge haben, sind die Erscheinungen zwar kosmetisch auffällig, aber harmlos. Kaschieren kann man die Erscheinungen bedingt durch ein gezieltes Training der Brustmuskultur, die alles optisch verdeckt. Operativ tätig werden muss man nur, wenn massive kosmetische und/oder funktionelle Störungen (z.B. Beeinträchtigung der Lungenfunktion) vorliegen. Man kann beispielweise Silikonimplantate zur kosmetischen Korrektur einlegen oder auch den gesamten Trichter mit Brustbein durch eine Rippendurchtrennung anheben und mit einer Metallspange fixieren.
Sonderformen
- Der Morbus Scheuermann, auch Adoleszentenkyphose genannt, ist vorwiegend eine Erkrankung des männlichen Geschlechts etwa ab dem 10. Lebensjahr. Auch hier ist die Ursache nicht geklärt, es gibt aber eine familiäre Häufung. Die Scheuermann’sche Erkrankung wurde früher zu häufig diagnostiziert. Tatsächlich kommt sie gar nicht so häufig vor, da zum „echten Scheuermann“ folgende röntgenologischen Voraussetzungen einzeln oder in Kombination vorliegen müssen:
- Unregelmäßig begrenzte Grund- und Deckplatten der Wirbelkörper
- Keilförmige gestaltete Wirbelkörper
- ggf. fragmentierte vordere Randleisten als Ausdruck von verbliebenen Knochenkernen
- Sog. Schmorl’sche Knorpelknötchen: Das sind abgerundete Einbrüche der Wirbelkörperdeckplatten als Folge einer druckbedingten Bandscheibenhernie
- Die Behandlung wurde im Kapitel „Hyperkyphose“ bereits oben beschrieben.
- Der Schiefhals kommt als harmloser akuter Schiefhals bei vielen Kindern mal vor, z.B. auch im Rahmen eines sog. Grisel-Syndroms bei akuten HNO-Infekten. Hier genügt in der Regel einfaches Abwarten und ggl. eine sanfte chirotherapeutische Mobilisation. Oftmals sind die Kinder sehr dankbar für eine ruhigstellende Halskrawatte.
Im Gegensatz dazu ist der Torticollis spasticus ein nicht spontan abklingendes Krankheitsbild. Wahrscheinlich kommt es aufgrund von zentralen Störungen in den Hirnkernen oder seltener auch geburtsbedingt zu einer spastischen Verspannung und Verkürzung eines der beiden großen Kopfwendermuskeln (Muskulus sternocleidomastoideus). Dies führt zu einer zwanghaften Kopfneigung zur Seite des spastischen Muskels und zu einer Kopfdrehung zur Gegenseite. Damit einher geht immer eine sog. Gesichtsskoliose. Der Torticollis spasticus muss operativ durch eine ansatznahe Abtrennung der drei Muskelursprünge und anschließender mehrwöchiger Fixierung des OP-Ergebnis in einem sog. Diadem-Gips erfolgen.
Hüftgelenk
Frühkindliche Hüftdysplasie
Die frühkindliche Hüftdysplasie ist eine angeborene oder erworbene Fehlbildung der Hüftpfanne und tritt bei etwa einem bis zwei von hundert Neugeborenen, vor allem bei Mädchen auf. Unbehandelt führt sie zu einer schweren Deformierung des Hüftgelenkes bzw. zur kompletten Verrenkung (Luxation), bei der Hüftkopf nicht mehr in der Hüftpfanne sitzt. Die frühkindliche Hüftdysplasie bzw. Hüftluxation wird heute durch die, von den Krankenkassen vorgeschriebenen Säuglingssonographie (siehe Kapitel Diagnose) sehr frühzeitig erkannt und erfolgreich behandelt. Sie wurde in den 80-er Jahren des letzten Jahrhunderts von dem österreichischen Orthopäden R. Graf entwickelt. Die Säuglingsonographie der Hüfte ist an eine strenge und geprüfte Weiterbildung und regelmäßiger Qualitätskontrolle gebunden und wird von uns durchgeführt. Das Ziel jeder Behandlung ist es, den Hüftkopf durch eine vermehrte Hüftbeugung und zunehmende Abspreizung (sog. Hockerposition) sicher und tief in die fehlgebildete Hüftpfanne einzustellen. Das übt auf die Hüftpfanne einen formativen (gestaltenden) Reiz aus, der die Hüftpfanne knöchern und den umgreifenden Faserring (Labrum acetabulare) nachreifen lässt und somit den Hüftkopf sicher in die Hüftpfanne zentriert und fixiert. Das geschieht über verschiedene Hüftbeugebandagen (siehe Kapitel Behandlung) bis hin zur stabilisierenden Orthese bzw. in seltenen Fällen auch Gipsverband über mehrere Wochen. Sehr selten kommt es heutzutage noch zu einer offen operativen Einstellung des Hüftkopfs in die Pfanne oder später im Kindesalter zu einer knöchernen Korrektur an der Hüftpfanne, dem Becken und /oder Schenkelhalses, immer mit dem Ziel der besseren Hüftkopfüberdachung durch die Hüftpfanne. Diese Operationen werden in entsprechenden Zentren durchgeführt.
Morbus Perthes (kindliche Hüftkopfnekrose)
Die Perthesche Erkrankung ist eine sogenannte „aseptische Knochennekrose“, bei der es, aus nicht geklärten Ursachen, zu einer Durchblutungsstörung und Absterben des Hüftkopfes kommt. Sie ist die häufigste Hüfterkrankung von Kleinkindern, wobei besonders Jungen betroffen sind. Die Diagnose und Stadieneinteilung erfolgt durch ein Röntgenbild und durch eine MRT-Untersuchung. Es gibt ein Initial-, Kondensations-, Fragmentations- und Reparationsstadium und kann sich über mehrere Jahre hinziehen. Die Behandlung ist in der Regel konservativ durch Ruhigstellung und Entlastung (Sportverbot). Dadurch kommt es in den meisten Fällen, je jünger der Patient ist umso sicherer, zu einer spontanen Remission und Reparation. In wenigen Fällen ist auch eine Operation notwendig. Diese immer mit dem Ziel, die zerstörten Hüftkopfanteile aus der Belastung zu entfernen und besser in die Hüftpfanne einzustellen.
Hüftkopfkappenabrutsch (Epiphyseolsysis capitis femoris)
Das ist eine hormonell bedingte Erkrankung des pubertierenden Jugendlichen, überwiegend männlichen Geschlechts. Es kommt zu einem akuten oder schleichenden Abrutsch der Hüftkopfkappe in der Wachstumsfuge (Epiphyse) nach hinten und unten. Die Diagnose erfolgt schnell und sicher durch eine klinische und röntgenologische Untersuchung. Die Behandlung ist immer operativ mit dem Ziel, ein weiteres Abrutschen der Hüftkopfkappe und zu verhindern, sie wieder zu reponieren (an den Ursprungsort zurücklegen) und dann sicher zu fixieren. Das erfolgt durch spezielle Drähte oder Epiphysenschrauben oder in ausgeprägten Fällen durch eine dreidimensionale, technisch aufwändige Umstellungs-Osteotomie mit einer Platten-Schraubenfixierung. Immer wird dabei auch – vorsorglich – die noch gesunde Seite mitversorgt.
Fehlstellungen (Coxa vara, coxa valga, Coxa antetorta, Coxa retrotorta)
Im Kapitel Hüftgelenk wurden die verschiedenen Fehlstellungen bereits beschrieben. Am häufigsten und altersentsprechend normal ist die Coxa antetorta, bei der der Schenkelhalswinkel in der Frontalebene vermehrt nach vorne zeigt. Das führt aufgrund der mechanisch notwendigen Zentrierung des Hüftkopfes in die Hüftpfanne (Prinzip eines Kugelgelenkes) zu einem vermehrten Innendrehgangbild der Kinder. Deswegen kommen die verunsicherten Eltern oftmals zu uns in die Sprechstunde: „Mein Kind läuft so nach innen“. Bei der Untersuchung in Bauchlage kann schnell die vermehrt mögliche Innendrehung der Hüftgelenke festgestellt und ggf. durch spezielle Röntgenbilder exakt vermessen werden. Es handelt sich in aller Regel um eine altersbedingt normale Entwicklung des Hüftgelenkes und es ist unsere wichtigste Aufgabe, den Verlauf zu beobachten und die Eltern aufzuklären. Therapeutisch sind in der Regel keine Maßnahmen notwendig!
Früher wurden die oben genannten Fehlstellungen an der Hüfte aufwändig operativ korrigiert. Man weiß aber mittlerweile aufgrund von langfristigen Studien, dass sich über 90 % dieser „Fehlstellungen“ bis zum Wachstumsende spontan korrigieren und nur einer kleiner Teil, nach Abschluss des Wachstums einer operativen Korrektur bedarf.
Hüftgelenksentzündungen (Coxitis)
Die Hüftgelenksentzündungen im Kindesalter können viral und harmlos sein (siehe „kindlicher Hüftschnupfen“), aber auch selten bakteriell oder noch seltener spezifisch (z.B. Tuberkulose, rheumatisch) verursacht sein. Ein seltener, aber echter orthopädischer Notfall ist die eitrige Säuglingscoxitis. Sie wird meistens durch eine hämatogene (auf dem Blutweg übertragene) Streuung durch Stäbchen- (Streptokokken) oder Kugelbakterien (Staphylokokken) hervorgerufen. Es liegt ein schweres Krankheitsbild mit allen Zeichen einer Sepsis vor: Fieber, Schüttelfrost, schlechter Allgemeinzustand, Bewegungs- und Druckschmerz und Schonhaltung der Hüfte. Die Diagnose erfolgt nach der Untersuchung durch eine Sonographie, Labordiagnostik und ggf. Punktion des Gelenkes mit Keimfeststellung. Es muss eine unmittelbare operative Revision mit Entlastung des Eiters und Entfernung allen entzündlichen Gewebes erfolgen. Nur so kann die endgültige Zerstörung des Hüftgelenkes vermieden werden.
Sonderformen
- Coxitis fugax (kindlicher / flüchtiger Hüftschnupfen)
- Coxa saltans (schnappende / tanzende Hüfte)
wird im Kapitel Hüftgelenk der Erwachsenen beschrieben
Kniegelenk
X-Bein und O-Bein
Die anatomischen Grundlagen einer veränderten Beinachse und der daraus resultierenden Fehlstatik werden im Kapitel Knie / Beinachsen und Fehlstatik eingehend beschrieben. Im Kinder- und Jugendalter kann man jedoch aufgrund der noch geöffneten, gelenknahen Wachstumsfugen (Epiphysen) korrigierend auf das Wachstum einwirken. Dies erfolgt durch eine temporäre (vorübergehende) Klammerung der Wachstumsfugen (Epiphysenklammerung). Bei einem X-Bein (Genu valgum) werden dabei die inneren Wachstumsfugen geklammert und bei einem O-Bein (Genu varum) die äußeren. Dann kommt es im Verlauf des weiteren Wachstum zu einer spontanen Korrektur des Fehlstellung. Wir führen diese Klammerung mit speziellen „Flex-Tack-Klammern“ durch, bei der wir aufgrund der besonderen Konstruktion pro Wachstumsfuge nur jeweils eine Klammer benötigen. Dies reduziert die Größe des operativen Eingriffes erheblich. Ganz entscheidend ist hierbei jedoch eine exakte und subtile Planung, um genau zum Ende des Wachstums das Korrekturergebnis zu erzielen. Dazu wird vorweg das Skelettalter, also das biologische Alter des Kindes anhand einer Röntgenaufnahme der Hand errechnet (siehe Kapitel Diagnose: Knochenalter- und Endgrößenbestimmung) und im Verhältnis zum chronologischen Alter gesetzt. Mit diesen Werten kann man das Restwachstum der gelenknahen Wachstumsfugen errechnen und somit den exakten Operationszeitpunkt festlegen, um mit Abschluss des Wachstums bestenfalls eine Punktladung zu erzielen.
Beinlängendifferenz
Kindliche Beinlängendifferenzen kommen oft vor. Sie können angeboren oder erworben sein oder treten auch als überschießende Reaktion nach kindlichen Frakturen auf. Hier wirkt sich der Knochenbruch als überschießender Reiz mit vermehrtem Wachstum des betroffenen Knochens aus. Beinlängendifferenzen müssen korrigiert werden, da es sonst zu statischen Probleme an der Wirbelsäule (Skoliose) an den Hüftgelenken oder andere Symptome kommen kann. Bis zu 2 cm Differenz werden durch entsprechende Einlagen oder Schuhzurichtungen korrigiert. Ab zwei Zentimeter Differenz muss man operative Korrekturen überlegen. Auch hier nutzen wir dann das noch bestehende restliche Wachstum aus und verblocken die Wachstumsfugen des zu langen Beines an der Innen- und Außenseite mit speziellen „Lock-Tack-Klammern“, die steifer sind und den Wachstumsschub der Fugen bremsen. Das Prinzip des optimalen Zeitpunktes der Operation wurde oben beschrieben.
Sonderform
Das Crus varum congenitum (Blount’sche Erkrankung) ist eine seltenere, angeborene O-förmige Verbiegung des oberen Schienbeinknochens (Tibia). Betroffen sind meist Kinder im Alter bis zu 10 Jahren. Eine nicht operative Behandlung mit wachstumslenkenden Schienen ist aussichtslos, so dass immer eine operative Korrektur notwendig ist.
Aseptische Knochennekrosen
Aseptische Knochennekrosen begegnen uns im Kinder- und Jugendalter immer wieder an den verschiedensten Regionen und werden jeweils dort beschrieben. Es handelt sich hierbei um eine Gruppe von Erkrankungen, deren Ursache nicht bekannt sind und die alle durch einen Verschluss von Gefäßen zu einem regionalen „“Knocheninfarkt“ mit anschließendem Absterben des Gewebes (Nekrose) führen. Am Kniegelenk sind die häufigsten aseptischen Knochennekrosen:
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- Der Morbus Osgood-Schlatter tritt überwiegend bei Jungen auf und betrifft den Ansatz des Kniescheibensehnenbandes am Schienbeinkopf (Tuberositas tibiae).
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- Das Sinding-Larson Syndrom tritt überwiegend bei Mädchen auf und betrifft die Kniescheibenspitze.
Beide Erkrankungen sind harmlos und heilen unter Schonung und vorübergehendem Belastungs- und Sportverbot folgenlos aus. In wenigen Fällen müssen nach Abschluss des Wachstums entstandene Knochenkerne (Ossikel) operativ entfernt werden.
Osteochondrosis dissecans
Wird in dem Kapitel Knie / Knorpelverletzungen und freie Gelenkkörper ausführlich dargestellt
Meniskusschäden
Meniskusschäden treten bei Kindern sehr selten auf und wenn dann in der Sonderform eines Scheibenmeniskus. Siehe hierzu im Kapitel Knie / Meniskusschäden
Erkrankungen der Kniescheibe (Patella)
Die Kniescheibe (Patella) ist eine sog. Fabella. Das ist ein frei in einer Sehne liegender Knochen. Siehe hierzu auch Kapitel Knie / Anatomie und Funktion Aufgrund der ständigen starken Belastung ist der Kniescheibenknorpel der dickste Knorpel im menschlichen Körper. Grundsätzlich wird ein Gelenkknorpel nicht über Blutgefäße versorgt, sondern ernährt sich bei der Bewegung durch eine Durchwalkung und Massage des Knorpels. Er saugt praktisch wie ein trockener Schwamm das Wasser, hier Nährstoffe auf und gibt verbrauchte Stoffe wieder ab. Voraussetzung ist ein guter flächiger und gleichmäßig verteilter Andruck der Kniescheibe in ihrem Gleitlager an der Vorderseite der unteren Oberschenkelrolle (Trochlea femoris).
Fehlstellungen, Knorpelreizungen, Dysplasien
Störungen der gerade beschriebenen Funktion führen zu Schmerzen an der Kniescheibe, besonders am wachsenden Skelett. Die Chondropathia patellae (übersetzt „Knorpelschmerzen an der Kniescheibe“) ist der unspezifische Sammelbegriff für all diese Schmerzzustände der Kniescheibe, vorwiegend bei weiblichen Jugendlichen. Dem/r Orthopäden/in obliegt es nun die verschiedensten Ursachen zu finden und gezielt zu behandeln:
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- Knöcherne Dysplasien der Kniescheibe und / oder des Gleitlagers
- Knöcherne Defekt der Kniescheibe, z.B. die Zweiteilung (Patella bipartita)
- Fehlstellungen der Kniescheibe mit Zonen des Knorpelüberdruckes (Hyperpression) oder Knorpelunterdruckes (Hypopression) mit Erweichung (Malazie) des Knorpels
- Kniescheibenhoch- oder Kniescheibentiefstand
- Kniescheibendezentrierung (Patellatilt) mit Verkippung der Kniescheibe im Gleitlager
- Patellalateralisation mit Verlagerung der Kniescheibe aus dem Gleitlager hach außen
- Knorpelverletzungen
- Fehlstellungen der Beinachsen
- Falschansatz des Kniescheibensehnenbandes am Schienbeinkopf
All das klären wir durch gezielte klinische Untersuchungen, in Kombination mit Röntgenbildern, Sonografie und ggf. einer MRT-Untersuchung ab. Die meisten der chondropathischen Kniescheibenschmerzen des adoleszenten Menschen sind harmlos, vorübergehend und klingen spontan ab. Hilfreich dabei ist immer ein gezieltes Training der Kniescheiben führenden vorderen Oberschenkelmuskulatur. Ggf. kann hier auch das vorübergehende Tragen einer die Kniescheibe zentrierende Bandage hilfreich sein.
Operative Maßnahmen sollten sehr zurückhaltend erwogen werden.
Ist die organische Ursache allerding genau bekannt, kann so ein Eingriff sinnvoll sein. So zum Beispiel die Z-förmige Verlängerung der äußeren Kniegelenkskapsel (Retinaculum laterale) zur besseren Zentrierung der Kniescheibe beim Patellatilt, die Entfernung eines lockeren Knochenfragments bei der Patella bipartita oder die knöcherne Verlagerung des Kniescheibensehnenbandes nach innen bei der Patellalateralisation.
Instabilitäten
Gewohnheitsmäßige Kniescheibenverrenkung (Habituelle Patellaluxation)
Die habituelle, wiederkehrende, Patellaluxation entwickelt sich nach einer ersten Luxation und aufgrund der hier beschriebenen verschiedensten anatomischen Ursachen.
Die Luxationsrichtung ist dabei fast immer nach außen und sie betrifft überwiegend Jugendliche weiblichen Geschlechts. Oftmals gelingt den Patienten die selbstständige und spontane Reposition der herausgerutschten Kniescheibe.
Es obliegt dem/r erfahrenen Orthopäden/in die vielfältigsten Ursachen für eine Patellaluxation zu eruieren. Eine Behandlung kann nur dann erfolgreich sein, wenn man die Pathologie (das Krankheitsgeschehen) genauestens analysiert. Das erfolgt durch klinische und röntgenologische Untersuchungen, spezielle MRT-Untersuchungen bei einem darin erfahrenen Radiologen und ggf. eine Gelenkspiegelung (Arthroskopie).
Biomechanik der Kniescheibengleitung:
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- während der ersten 30 Grad der Kniegelenksbeugung wird die Kniescheibe überwiegend durch passive Stabilisatoren (Kapsel, MPFL-Band, siehe unten) und durch eine initial gut ausgebildete knöcherne Rinne am Gleitlager geführt
- ab 30 bis 60 Grad Beugung kommen aktive Stabilisatoren (z.B. der Muskulus Quadriceps) hinzu
- ab 60 bis 90 Beugung und mehr übernehmen statische Stabilisatoren (hier die knöcherne Führung der Gleitrinne) die Führung der Kniescheibe
Ursachen für die habituelle Patellaluxation können sein
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- Beinachsen und Beinrotation: ein vermehrtes X-Bein (Genu valgum) fördert die Zugrichtung der Kniescheibe nach außen. Ebenso wie eine vermehrte Innendrehfehlstellung des Oberschenkels und / oder Außendrehfehlstellung des Unterschenkels
- Dysplasien (Fehlanlagen) der Kniescheibe und besonders des knöchernen Gleitlagers müssen bei der Entstehungsursache der Luxation erkannt werden. Hier besonders der zu flache oder sogar konvex gekrümmte obere Teil der Gleitrinne, feststellbar durch spezielle Röntgen- und MRT-Untersuchungen
- Knöcherne Winkel: ein zu weit nach außen am Schienbeinkopf ansetzendes Kniescheibensehnenband (vergrößerter Quadricepssehnenwinkel) zieht die Kniescheibe ebenfalls zu stark nach außen
- Kapseldysbalancen: eine länger dauernde Fehlstellung der Kniescheibe kann zu einer Elongierung (Dehnung) der inneren Kniescheibenkapsel und zu einer Schrumpfung (Kontraktion) der äußeren Kniescheibenkapsel, dem Retinaculum patellae führen.
- Bandverletzungen: traumatisch oder durch Elongierung kann es zu einer Dysfunktioin des inneren Kniescheibenhaltebandes (Mediales Patello Femorales Ligament, MPFL) kommen.
Die Behandlung der akuten und erstmaligen Patellaluxation ist konservativ durch eine Ruhigstellung in einer speziellen Schiene für 3-4 Wochen, um eine Vernarbung der gerissenen Kapsel-Band-Strukturen zu fördern. Die habituelle Patellaluxation hingegen muss operativ versorgt werden, um eine rezidivierende Luxation und der damit verbundenen Instabilität und den frühzeitigen Verschleiß des femoro-patellaren Gelenkes zu verhindern. Unsere Wahl des Operationsverfahren richtet sich nun ganz entscheidend nach dem Grund der Luxation (siehe Biomechanik der Kniescheibengleitung). Daher muss die Pathologie, d.h. der krankhafte Vorgang der Luxation im Vorfeld exakt eruiert werden und erfordert Geduld und Erfahrung. Im Einzelnen kommen folgende Möglichkeiten alleine oder in Kombination zum Einsatz:
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- Rekonstruktion des MPFL-Bandes (MPFL-Plastik) mit einer körpereigenen Sehne (erfolgt regelmäßig)
- Versatz-OP des Muskulus Quadriceps (erfolgt selten)
- innere Kapselraffung (erfolgt seltener)
- Korrektur der Beinachsen und/oder Beinrotation (erfolgt seltener)
- Korrektur der Trochleadysplasie durch eine Trochleaplastik (technisch schwierig, aber erfolgt immer häufiger)
- Knöcherne Verlagerung des Ansatzes der Kniescheibensehne am Schienbeinkopf (z.B. Elmslie-OP) nach innen (erfolgt häufiger)
- Z-förmige Verlängerung des Retinaculum patellae laterale (erfolgt häufiger)
Zusammenfassend ist die Behandlung der habituellen Patellaluxation eine typische kinderorthopädische Tätigkeit, kommt häufig vor, erfordert eine große Erfahrung und subtile Kenntnis der Biomechanik.
Sprunggelenk und Fuß
Der kindliche Fuß ist nicht mit dem Erwachsenenfuß gleichzusetzen!
Er ist vom Aufbau, von der Funktion, von seinen Erkrankungen und deren Verlauf, aber auch bzgl. Spontanheilungen völlig anders als der Erwachsenenfuß. Was beim Erwachsenenfuß als Fehlstellung und somit krankhaft diagnostiziert wird, kann beim kindlichen Fuß physiologisch und somit völlig normal sein bzw. sich im Laufe des Wachstums wieder regulieren.
Angeborene Fußfehlformen
- Klumpfuß (Pes equinovarus, adductus et excavatus)
Der Klumpfuß ist einer der wohl schwerwiegendsten angeborenen Deformitäten des kindlichen Fußes. Er kommt mit einer Häufigkeit von 1 – 2 auf 1000 Neugeborenen vor und eine familiäre Häufung ist bekannt. Die genaue Ursache ist jedoch nicht bekannt. Unter anderem können auch Einschnürungen in der Gebärmutter mit verantwortlich sein. Der Klumpfuß ist eine Kombination aus mehreren Deformitäten:
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- kontrakter Spitzfuß mit Verkürzung der Achillessehne (Pes equinus)
- O-Varus-Stellung im Rückfuß (Pes varus)
- Sichelfußstellung im Vorfuß (Pes adductus)
- Aufdrehung der Fußwurzel mit Hohlfußbildung (Pes excavatus)
Die Behandlung des Klumpfußes muss unmittelbar nach der Geburt beginnen und ist aufwändig und langwierig, aber auch erfolgreich. Sie erfolgt in darin erfahrenen Zentren unter ständiger Kontrolle des Orthopäden vor Ort. Das Mittel der Wahl ist mittlerweile die Klumpfußbehandlung nach Ponseti, entwickelt von dem amerikanische Orthopäden Ignacio Ponseti. Hierbei erfolgt mittels spezieller manueller Redressionen („Geradebiegen“) die schrittweise Korrektur nach anatomischen Gesichtspunkten. Jeder der Teilschritte muss dann in Gipsverbänden gehalten werden. Danach erfolgt das für 3 Monate das ganztägige Tragen einer Spezialschiene, die dann schrittweise reduziert wird. Allenfalls ist dann zum Schluss nur noch ein sehr kleiner operativer Eingriff notwendig, um die Achillessehne zu verlängern. Vor der „Ponseti-Methode“ standen den Kindern mehrere größere Operationen bevor.
Sonderform
Die Klumphaltung des Neugeborenenfußes hat nichts mit einem Klumpfuß zu tun. Ihr fehlen die kontrakten Komponenten und vor allem der fixierte Spitzfuß mit einer Achillessehnen-verkürzung. Die Klumphaltung ist weich und redressierbar und mittels zwei bis drei Gipsverbänden und physiotherapeutischen Nachbehandlungen sehr gut zu korrigieren.
- Plattfuß (Talus vertikalis)
Die Erkrankung ist nicht zu verwechseln mit dem „harmlosen“ Knick-Senk-Fuß und ist eine seltene Deformität. Er wird auch als „Schaukelfuß“ bezeichnet. Die Behandlung erfolgt immer erst konservativ durch Redressionsgipse und Physiotherapie. Wegen der hohen Rezidivneigung ist dann doch oftmals eine operative Korrektur notwendig, die wegen der Vielfalt der Möglichkeiten in einem spezialisierten Zentrum erfolgen sollte.
- Sichel-, Flossen- Hackenfuß, Spitzfuß
Beim Sichelfuß steht der Vor- und Mittelfuß nach innen, beim Flossenfuß nach außen, beim Hackenfuß nach oben und beim Spitzfuß nach unten.
All diese Fehlstellungen sind eher einfach zu behandeln und haben eine sehr gute Prognose. Anfangs können ein bis zwei Redressionsgipse notwendig sein. Dann reichen manuelle und physiotherapeutische Nachbehandlungen aus.
Beim Sichelfuß sind unter Umständen auch sog. Antivarus-Schuhe bzw. -Einlagen notwendig.
Beim kontrakten Spitzfuß ist es hin und wieder notwendig, die Achillessehne bzw. nur den Sehnenspiegel (Vulpius-OP) zu verlängern.
Erworbene Fußfehlformen
Bei den erworbenen „Fehlformen“ spielen viele externe Ursachen eine wichtige Rolle, wie beispielsweise lockere Bänder und Kapseln, schwache Muskeln, X- bzw. O-Beine, Übergewicht und andere mehr.
- Knick-Senk-Fuß
Der-Knick-Senk-Fuß mit einer Abflachung des Längsgewölbes und Außenstellung der Ferse ist harmlos, solange er muskulär ausgeglichen ist. Dabei muss sich im Zehenspitzenstand sich das Fußlängsgewölbe aufrichten und die Ferse nach innen stellen.
Eine orthopädische Abklärung ist jedoch immer ratsam, da es auch Ausprägungen gibt, die nicht kompensiert werden und auch nicht durch Einlagen nachhaltig korrigiert werden können.
In diesen wenigen Fällen ist dann doch eine kleine operative Korrektur durch eine sog. talocalcaneare Arthrorise (vorübergehende Verblockung) notwendig. Dies erfolgt bis zur Pubertät mit einer „Talus-Stopp-Schraube“, die minimal-invasiv an der Außenseite zwischen Sprung- und Fersenbein eingebracht wird und nach Abschluss des Wachstums wieder entfernt wird.
- Hohlfuß bzw. Ballenhohlfuß (Pes excavatus)
Der Hohlfuß bzw. als stärkere Ausprägung der Hohl-Ballen-Fuß kann angeboren, aber auch erworben sein bzw. in seiner stärksten Ausbildung als Hohl-Ballenfuß auch durch neurogene (nervliche) Erkrankungen ausgelöst werden. Hier ist das Längsgewölbe zu stark ausgebildet und hohl gerundet.
Bei der einfachen Form reichen in der Regel fußbettende Einlangen, welche das Längsgewölbe stützen. Bei der ausgeprägten Form sind auch, nach Abschluss des Wachstums, korrigierende Operationen an der Fußwurzel möglich.
Grundsätzliches zu Einlagen
Die meisten Kinderfüße benötigen in der Regel keine Einlagen!
Wenn es sich aber um Kontrakte, also nicht ausgleichbare Fehlstellungen handelt sind Einlagen sinnvoll. Die Notwendig kann nur von einem Orthopäden gestellt werden.
Die Konstruktion und die Kontrolle erfolgen dann in Zusammenarbeit mit einem Orthopädie-Techniker oder einem Orthopädie-Schumacher.
Einlagen sind immer individuelle Hilfsmittel, die dem Fuß nach einem exakten Abdruck angepasst werden müssen und nicht als Konfektionsware zu erwerben sein sollen.
Im Sonderfall müssen diese als sensomotorische bzw. propiozeptive Einlagen erfolgen (näher erläutert im Kapitel „Behandlung) und regelmäßig kontrolliert werden, da der kindliche Fuß ja ständig wächst.
Grundsätzliches zu Kinderschuhen
Am besten ist es, Kinder viel barfuß laufen zu lassen!
Da das natürlich nicht immer geht, dürfen die Schuhe den wachsenden kindlichen Fuß nicht einengen. Der Fuß muss sich trotz Schuhe frei bewegen und entwickeln dürfen. Kindliche Füße reagieren auf Druck noch relativ unempfindlich, da sich das Nervensystem und die Empfindlichkeit noch erst entwickeln.
Dabei gilt folgendes Konstruktionsprinzip:
Der Schuh muss im hinteren Bereich fest sein und die Ferse gut führen. Im Mittel- und besonders im Vorfußbereich muss er in der Länge, Breite und Höhe genügend groß sein, damit sich der Fuß frei bewegen kann. Im Vorfußbereich sollte immer gut 1 cm Luft sein, damit sich der Fuß beim Abrollen nach vorne entwickeln kann. Ein Fußbett wie bei einem Erwachsenenschuhe benötigt der Kinderschuh normalerweise nicht.
Aseptische Knochennekrosen
Die aseptischen Knochennekrose werden im Kapitel Kinderorthopädie/Knie näher erläutert. Auch am wachsenden Fuß können auftreten solche auftreten. Die häufigsten sind:
- Morbus Köhler I
Das ist die aseptische Knochennekrose am Kahnbein (Os naviculare) des Fußes. Betroffen sind überwiegende Jungen im Alter von 4- bis 8. Lebensjahr. Die Diagnose wird durch ein Röntgenbild gestellt und bei Beschwerden der Fuß in einer Castorthese oder -verband ruhiggestellt. Die Heilung, auch eine Heilung mit Defekt, kann sich über 2 Jahre hinziehen.
- Morbus Köhler II
Das ist die aseptische Knochennekrose des zweiten, dritten oder seltener vierten Mittelfußköpfchens. Betroffen sind überwiegend Mädchen zwischen dem 10. – bis 18. Lebensjahr. Die Diagnose wird durch ein Röntgenbild gestellt und bei Beschwerden der Fuß in einer Castorthese ruhiggestellt bzw. das Abrollen durch rückverlagerte Abrollhilfen am Schuh erleichtert. Bei einer Defektheilung muss nach Abschluss des Wachstums ggf. eine Arthroplastik mit Teilresektion des Gelenkes (säubernde Gelenkoperation) erfolgen.
Apophysitis calcaneae
Hier handelt es sich um eine harmlose Entzündung der hinteren Wachstumsfuge (Apophyse) am Fersenbein und kommt überwiegend, wahrscheinlich durch eine sportliche Überlastung, bei Jungens im Alter zwischen 5 und 15 Jahren vor.
Die Diagnose wird klinisch und radiologisch durch eine Verdichtung der Apophyse auf dem Röntgenbild zu stellen.
Therapeutisch verordnet man fersenweichbettende Silikonpolster und appelliert an die „Geduld“ der meist sportlich sehr aktiven Jungens. Dann heilt die Erkrankung heilt folgenlos aus.
Apophysen sind die Ansätze von Bändern und Sehnen am wachsenden Knochen.
Epiphysen sind die Träger der knorpeligen Gelenkfläche am Ende eines Röhrenknochens
Knochentumoren im Kindes- und Jugendalter
Knochentumoren kommen auch im wachsenden Skelett vor. Wenn dann sind sie meistens gutartig und nur in seltenen Fällen bösartig, müssen dann aber schnell erkannt und konsequent behandelt werden. Diagnostiziert und systematisiert werden knöcherne Tumoren durch ein Röntgenbild, eine CT- oder MRT-Untersuchung, im speziellen Fall auch durch eine Knochszintigraphie (Darstellung mit Isotopen) und letztendlich durch eine Gewebsprobe (Biopsie). Es gibt viele verschiedene Typen und Ausprägungen, die nahezu alle operativ saniert werden können und teilweise müssen.
Hier nur die häufigsten:
Gutartige (benigne) Tumoren
- Das Osteochondrom, auch kartilaginäre Exostose genannt, ist die häufigste Form der Knochentumorerkrankung im Kinder- und Jugendalter und lokalisiert sich meisten gelenknah an den großen Röhrenknochen und können einzeln (solitär) oder mehrfach (multipel) auftreten. Sie machen durch ihre räumliche Ausdehnung Druckschmerzen an den benachbarten Organstrukturen oder können Wachstumsfugen verletzen und somit zu Fehlwachstum führen. In diesen Fällen entschließen wir uns zu einer operativen Entfernung im Ganzen. Das Osteochondrom kann wieder auftreten, also ein Rezidiv bilden.
- Das Osteoid-Osteom geht vorrangig mit Schmerzen einher und wird daher in der Regel frühzeitig erkannt. Regional kommt am häufigsten an den langen Röhrenknochen vor, aber auch mal an Wirbelkörpern oder anderen kompakten Knochen. Röntgenologisch liegt eine stark verdichtete Knochenstruktur mit einem zentral liegendem Nidus (heller Kern) vor. Typischerweise klagen die Patienten über nächtliche Ruheschmerzen, die auch typischerweise unter Acetylsalicylsäure (Aspirin) abklingen. Hier hilft nur die operative Ausräumung des Nidus (Tumorkerns) entweder durch Hitzeverkochung oder operative Ausräumung. Eine Rezidivbildung ist dann ausgeschlossen und der Patient geheilt.
- Knochenzysten (juvenile Knochenzyste) gibt es verschiedenster Herkunft, Art und Lokalisation. In den allermeisten Fällen sind diese Knochenzysten gutartig (benigne). Aber es gibt auch sog. semimaligne Zysten (ein Tumor der bösartig werden kann) oder primär maligne Zysten (ein Tumor ist bereits bösartig). Im Zweifelsfalle muss dann eine Gewebsprobe (Biopsie) entnommen werden, um eine Differenzierung vorzunehmen und dann die Zyste komplett entfernt. Die entstandene Knochenhöhle muss dann ggf. mit körpereigenen Knochenspänen oder Knochenzement ausgefüllt werden.
Bösartige (maligne) Tumoren
Bösartige Knochentumoren des Kindes und Jugendlichen sind zum Glück selten!
Wenn sie aber auftreten, müssen sie schleunigst erkannt und behandelt werden. Daher ist dann auch eine gezielte Röntgenuntersuchung als erster diagnostischer Schritt notwendig und sollte bei einem Verdacht nicht an einer unnötigen Diskussion über eine mögliche „Strahlenbelastung“ scheitern!
Weitere Maßnahmen zur Abklärung sind eine CT- bzw. MRT-Untersuchung und ganz wichtig die gezielte Entnahme einer Gewebsprobe (Biopsie).
Die malignen Knochentumoren müssen immer in einem spezialisierten Zentrum behandelt werden, in dem man interdisziplinär zwischen Orthopäden, Onkologen, Radiologen, ggf. Kinderärzten, die richtigen Behandlungsschritte abstimmt.
- Das Osteosarkom ist der häufigste bösartige Tumor des wachsenden Menschen und tritt meistens im pubertären Alter (12. bis 16. Lebensjahr) und vorzugsweise an den großen Röhrenknochen auf. Der Tumor geht mit typischen Veränderungen im Röntgenbild einher und bedarf umgehenden Weiterleitung in ein Zentrum und der radikalen operativen Therapie.
- Das Ewing-Sarkom ist der zweithäufigste bösartigste Tumor und tritt in der zweiten Lebensdekade des Menschen und hier in den Markräumen der langen Röhrenknochen auf. Auch dieser Tumor geht mit typischen Zeichen im Röntgenbild einher und auch er bedarf der umgehenden radikalen operativen Therapie, meist mit einer anschließenden Bestrahlung.